
„Als ich als Jugendliche Erfahrungen mit Missbrauch gemacht habe, hätte ich mir gewünscht, es hätte ein solches Angebot gegeben wie diesen Podcast. Zu hören, dass ich nicht alleine bin, dass auch andere so etwas erleben,“ sagt Isabel Moss, Autorin des Podcasts „99/1“. In dem 20teiligen Podcast hat die Uetersenerin ihre eigene Geschichte verarbeitet – und die Erlebnisse vieler anderer Mädchen und Frauen, mit denen sie gesprochen hat. Die Geschichte von Sarah und Thilo, die zu Beginn glücklich verliebt sind, bis Thilo schrittweise manipulativ und irgendwann auch körperlich übergriffig wird, ist somit fiktiv und beruht gleichzeitig auf wahren Gegebenheiten.
„Es tut mir gut, etwas Sinnhaftes reinzubringen in das, was mir passiert ist“, betont Isabel Moss. „Ich wollte aber noch einen Mehrwehrt – denn wir müssen nicht nur auffangen, wenn etwas passiert ist, sondern wir müssen möglichst verhindern, dass etwas passiert. Deshalb habe ich mich an den Wendepunkt e.V. gewandt.“
In jeder Folge spricht Isabel Moss im Anschluss an ihre Erzählung mit Bianca Tietz und Sascha Niemann vom Wendepunkt. Über Themen wie sexuelle Gewalt, Partnerschaftsgewalt, Sucht und darüber, wie man Warnsignale erkennen kann, welche Schritte zur Selbsthilfe unternommen werden können und wo man als betroffene Person Hilfe und Unterstützung erhalten kann.
„Es fängt in solchen Situationen mit kleinen Grenzüberschreitungen an, die sich langsam ausweiten. Es ist großartig, wie sensibel das im Podcast erzählt wird“, betont Sascha Niemann, Leiter des Fachbereichs Traumazentrum und Beratung im Wendepunkt. „Als Betroffene oder Betroffener geht es darum, die eigenen Irritationen ernst zu nehmen und sich die Erlaubnis zu geben, die eigenen Grenzen wahrzunehmen. Wir sind alle gleich viel wert. Wenn ich diesen Gedanken annehme, kann ich mir Hilfe holen.“
Dieser Podcast richtet sich als Aufklärung an Jugendliche ab ca. 16 Jahren, gibt aber auch Familien und Freunden von betroffenen Jugendlichen eine Orientierung.
„Bei unserer täglichen Arbeit in den Präventionsprojekten in den Schulen haben wir mit solchen Themen zu tun“, ergänzt Bianca Tietz, Leiterin des Fachbereichs Prävention. „Da geht es viel um Grenzverletzungen. Wir besprechen das von allen Seiten. Die Kinder und Jugendlichen müssen lernen, die eigenen Grenzen zu respektieren und gleichzeitig die Grenzen anderer zu wahren.“
Die Produktion des Podcasts wurde mit 5000 Euro von der Bürgerstiftung Elmshorn unterstützt. „Der Präventionsgedanke ist uns sehr wichtig, und hier hat uns die Idee und die Verbindung in den Wendepunkt hinein überzeugt. Aber es geht ja auch darum, wie man die Jugendlichen erreichen kann. Da entspricht ein Podcast viel mehr der Zielgruppe als ein Flyer oder ein Beratungsbuch“, findet Olaf Seiler von der Bürgerstiftung.
Anja Schwarzer, Sachgebietsleiterin Schulsozialarbeit Elmshorn, will den Podcast in die Präventionsarbeit einbinden. „Ich war ziemlich angerührt, als ich die Folgen gehört habe. Es ist wichtig, über solche Themen zu sprechen. Und damit zu signalisieren, dass das keine Tabuthemen sind.“
Die Künstlerin Anne Lamsbach aus Uetersen hat Bilder gemalt, die die Emotionen der einzelnen Folgen spiegeln. Sie will mit Jugendlichen an einem Projekt zu diesem Thema arbeiten.
Der Podcast ist zu hören bei Spotify: https://open.spotify.com/show/5Bu5ASVCCmGu0Rs7ibpfXE
Foto – vorne: Anja Schwarzer, Anne Lamsbach, Sascha Niemann, Isabel Moss, Bianca Tietz
hinten: Prof. Dr. Klaus Pannen, Olaf Seiler, Dr. Ernst Thies, Uwe Altemeier (alle Bürgerstiftung Elmshorn)