Was einmal als Ein-Frau-Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt begonnen hat, ist mittlerweile zu einem großen Verein mit über 50 Fachkräften angewachsen, der sich mit vielfältigen Hilfen aus einer Hand für den Gewaltschutz einsetzt und Kinder, Jugendliche und ihre Familien in der Region unterstützt.
„Wir wollen die Kinder und Jugendlichen in unserer Region stärken und schützen, um sie vor sexueller und anderer Gewalt und Grenzverletzungen jeder Art zu bewahren. Und wir sind an ihrer Seite, wenn sie hochbelastende und traumatisierende Erfahrungen machen mussten. Wir helfen ihnen und setzen uns für ihre Interessen ein. Da besteht leider nach 3 Jahrzehnten Arbeit immer noch ein großer Bedarf. Die Bedürfnisse der Kinder stehen noch längst nicht so im Fokus, wie wir uns das wünschen würden“, sagt Dirk Jacobsen, Geschäftsführer des Wendepunkt e.V.
Allein 2022 haben den Wendepunkt 1236 Hilfeanfragen erreicht, seit Gründung wurden über 16.000 Fälle bearbeitet.
Über die Jahre wurden die Tätigkeitsfelder stetig ausgeweitet. Neben der Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt betreibt der Wendepunkt in Kooperation mit der Regio Klinik die Interdisziplinäre Trauma-Ambulanz Westholstein, die schnelle Hilfen nach hochbelastenden und traumatischen Erlebnissen anbietet – von der Beratung bis zu therapeutischen Angeboten.
Der Wendepunkt unterstützt auch langfristig Kinder und ihre Familien im Rahmen der Erziehungshilfen.
Eine Arbeit, die auch für die Fachkräfte manchmal sehr belastend sein kann. „Es ist schon herausfordernd, täglich mit solchen Themen umgehen zu müssen. Wir haben zum Glück ein sehr gutes Miteinander und können im Team über schwere Themen sprechen, und wir sorgen für regelmäßige Supervision und bei Bedarf Beratung von außerhalb“, berichtet Sascha Niemann, Leiter des Fachbereichs Traumazentrum und Beratung.
Da der Wendepunkt nicht nur in Krisen helfen sondern aktiv dazu beitragen will, Kinder und Jugendliche vor hochbelastenden Erfahrungen möglichst zu schützen, war die Prävention von Anfang an eine zweite Säule der Arbeit und wurde immer weiter ausgebaut.
Insgesamt hat der Wendepunkt über die Jahre im Kreis Pinneberg 2400 Unterrichtsprojekte an den Schulen durchgeführt.
„Wir reden mit den Kindern über ihre Gefühle und wie sie die einordnen können. Außerdem über Grenzen: was sind meine Grenzen und wie kann ich die kommunizieren? Es geht darum, die Kinder zu stärken, sie mit Täter*innenstrategien vertraut zu machen – und sie zu ermutigen, sich im Ernstfall Hilfe zu holen“, erklärt Bianca Tietz, Leiterin des Fachbereichs Prävention.
Ragnhild Ehlers, die seit Gründung Vorstandsmitglied ist, hat in ihrer aktiven Zeit als Lehrerin die Arbeit des Wendepunktes auch von dieser Seite kennengelernt. „Die Projekte waren immer sehr hilfreich, weil sich die Kinder Menschen von außerhalb leichter öffnen konnten. Und der Wendepunkt war immer als Beratung und Unterstützung da, wenn man selbst Verdachtsfälle erlebt hat.“
Zur Prävention gehört seit vielen Jahren auch die Arbeit mit (jugendlichen) Übergriffigen und Tätern. Der Wendepunkt ist eine der wenigen Facheinrichtungen in Norddeutschland, die sich mit Übergriffigen beschäftigt. Dabei ist ein qualifiziertes psychosoziales Hilfsangebot der wirksamste Schutz gegen Rückfälle – und ist damit gleichzeitig Opferschutz.
Außerdem hat der Wendepunkt ein Fortbildungszentrum (WFZ) aufgebaut, um Fachkräfte weiterzubilden, zu befähigen und in der täglichen Arbeit zu unterstützen. Über 2000 Fortbildungsmaßnahmen wurden seitdem durchgeführt – im hauseigenen Fortbildungszentrum sowie seit Corona zunehmend auch online, wodurch Fachkräfte aus dem ganzen Bundesgebiet erreicht werden. Der Wendepunkt unterstützt außerdem pädagogische Einrichtungen bei der Entwicklung eines Schutzkonzeptes.
„Unsere Arbeit ist in meinen Augen elementar, denn die Kinder und Jugendlichen brauchen Unterstützung durch kompetente Erwachsene, um gesund aufwachsen zu können“, so Jacobsen. „Ich bin froh, dass ich ein sehr engagiertes und professionelles Team habe, dass sich für die Gesundheit und die Rechte der Kinder und Jugendlichen einsetzt. Aber gerade auch vor dem Hintergrund des großen Fachkräftemangels in diesem Bereich wünsche ich mir mehr gesellschaftliche und politische Anerkennung für soziale Arbeit.“
Foto von links:
Sascha Niemann, Bianca Tietz, Dirk Jacobsen, Ragnhild Ehlers
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