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Wie kann traumatisierten Menschen geholfen werden

Ärzte, Therapeuten, Pädagogen und andere Fachkräfte diskutieren auf Interdisziplinärer Traumafachtagung in Elmshorn

Zum sechsten Mal in Folge fand in Elmshorn der Interdisziplinäre Traumafachtag, der sich längst über den Kreis Pinneberg hinaus einen Namen gemacht hat, statt. Knapp 180 Fachkräfte kamen, um Vorträge über aktuelle Konzepte in Therapie, Prävention und Intervention nach traumatischen Ereignissen zu verfolgen und an Workshops teilzunehmen. In diesem Jahr erstreckte sich das Angebot, zu dem wieder die Interdisziplinäre Trauma-Ambulanz des Wendepunkt e.V. und der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Regio-Kliniken eingeladen hatten, erstmalig über zwei Tage. So hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, sich zusätzlich vertiefend mit einem Themenschwerpunkt auseinanderzusetzen.

Ob Gewalterfahrungen, der Tod eines Familienmitglieds, ein schwerer Unfall, permanente Demütigungen oder Vernachlässigung, lebensbedrohliche Erkrankungen oder das Miterleben von Krieg und Flucht – solche Erlebnisse können zu akuten Belastungsstörungen führen und schwere Folgestörungen nach sich ziehen. Die Betroffenen verlieren Teile ihrer Kompetenzen und können die Gefühle nicht verarbeiten. Es ist wichtig, dass Betroffene möglichst schnell Hilfe bekommen. Im akuten Fall kann ein Gespräch schon eine erste Hilfe sein. „Wir werden bei Notfällen von der Polizei oder den Rettungskräften gerufen, um mit einzelnen Betroffenen oder ganzen Familien zu reden“, erzählt Referent Godeke Klinge, dessen Pädagogische Initiative Lüneburg Erste Hilfe bei traumatischen Ereignissen bietet.

„Aber Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, sind häufig auch mit Scham- und Schuldgefühlen belastet, und haben deshalb Schwierigkeiten, sich Hilfe zu suchen“, weiß Referentin Iris Hannig-Pasewald von der Opferhilfe Hamburg. Da sind niedrigschwellige Angebote wie zum Beispiel die Opferhilfe in Hamburg oder die Trauma-Ambulanz in Elmshorn besonders wichtig.

Referentin Janine Borowski von der Uniklinik Hamburg Eppendorf stellte ein Therapieprogramm zur Behandlung der Folgen von sexueller und körperlicher Gewalt in der Kindheit vor. „Zunächst werden die Betroffenen stabilisiert und ihre Ressourcen werden wiederaufgebaut. In dem zweiten Behandlungsschritt wird sich dann konfrontativ mit dem traumatischen Ereignis auseinandergesetzt“, so Borowski. Gerade Kindern und Jugendlichen muss bei der Verarbeitung von traumatischen Ereignissen geholfen werden. „Wenn Kinder traumatische Erfahrungen machen, dann kann das Folgen bis in Erwachsenen-Alter haben. Die Erfahrungen werden in Persönlichkeits-Anteilen mitgetragen“, erklärt Kristina Lühr, Referentin von der Opferhilfe Hamburg. Oft werden die Gefühle, die mit den traumatischen Erfahrungen verbunden sind, abgespalten. „Wenn die Erinnerung daran dann getriggert, also wieder ausgelöst wird, stülpt sich die Erfahrung der Jetzt-Zeit über“, ergänzt Hannig-Pasewald.

Deshalb ist es wichtig zu erkennen, wenn Kinder Hilfe brauchen. Manche Kinder ziehen sich komplett zurück, andere werden aggressiv – da sind dann die Pädagogen, die mit den Kindern zu tun haben, gefordert. „Lehrer brauchen traumapädagogische Qualifizierungen, damit sie sensibel für mögliche Anzeichen sind und gegebenenfalls intervenieren können“, fordert Referent Dr. Matthias Schirmer, Förderschullehrer und Traumafachberater aus Leipzig. In Schleswig-Holstein bietet unter anderem der Wendepunkt traumapädagogische Fortbildungen für Erzieher in Kitas und Lehrkräfte an. „Alle gesellschaftlichen Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, sind hier gefordert“, so Ingrid Kohlschmitt, Leiterin des Wendepunktes. Denn traumatherapeutische und traumapädagogische Arbeit sei auch präventive Arbeit. „Wenn Kinder zum Beispiel häusliche Gewalt miterleben müssen, dann besteht ein großes Risiko, dass diese Erfahrung und die erlernten Verhaltensweisen in die nächste Generation weitergetragen werden, dass diese Kinder später selbst übergriffig werden oder sich ihr Leben lang in eine Opferrolle fügen.“ Die aktuellen Zahlen zur Häuslichen Gewalt zeigen deutlich, dass immer noch in viel zu vielen Familien Gewalt zum Alltag gehört. „Gerade in diesem Bereich ist es wichtig, nicht nur Hilfestellung für die betroffenen Erwachsenen zu schaffen. Auch die Kinder in diesen Familien brauchen schnelle und wirkungsvolle Hilfsangebote, damit der generationsübergreifende Kreislauf von Gewalt und Traumatisierung endlich unterbrochen werden kann“, so Kohlschmitt.

Gruppenfoto Wendepunkt Mitarbeiter und Gast-Referenten – von links nach rechts: Vorne: Ingrid Kohlschmitt, Leiterin des Wendepunktes Iris Hannig-Pasewald, Fachärztin für Psychiatrie von der Opferhilfe Hamburg Stehend: Dirk Jacobsen, Leiter der Trauma-Ambulanz des Wendepunktes Sophie Firle, Wendepunkt Dr. Matthias Schirmer, Förderschullehrer und Traumafachberater Kristina Lühr, Psychologische Psychotherapeutin von der Opferhilfe Hamburg Godeke Klinge, Dipl.-Soz. Pädagoge von der Pädagogischen Initiative Lüneburg Janine Borowski, Dipl.-Psychologin von der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf