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Wenn Männer Hilfe brauchen – zwei Kurzfilme sollen Betroffene auf das Angebot der Männerberatung Schleswig-Holstein aufmerksam machen

Staatssekretärin Marjam Samadzade fordert: „Wir müssen alle Opfer von Gewalt und Missbrauch sprachfähig machen, wir müssen als Gesellschaft hingucken!“

Der erste Kurzfilm: Ein Mann sitzt mit verletzter Hand in einer Arztpraxis. Während er wartet, bekommt er Sprachnachrichten von seiner Partnerin. Klingt diese anfangs noch besorgt, ändert sich schnell der Ton: sie schimpft, sie droht, sie macht ihn nieder. Erinnerungsbilder zeigen, wie sie im Streit getobt hat. Wohl nicht zum ersten Mal.

Ein Mann, der häusliche Gewalt erlebt – ein ungewöhnliches Bild? Dabei ist es gar keine Seltenheit: im Jahr 2020 waren in Schleswig-Holstein 21,4% aller Opfer von häuslicher Gewalt männlich. Und das Dunkelfeld ist groß. Cornelia Donicht von der Männerberatung Schleswig-Holstein weiß, dass es Männern besonders schwerfällt, sich Hilfe zu holen: „Sie haben Angst vor der Stigmatisierung als „schwacher Mann“, sie haben Angst vor der Reaktion – weil die Opferrolle nicht mit dem Klischee des starken Mannes zusammenpasst. Wenn sie dann erstmal zu uns in die Beratung gefunden haben, sagen sie oft: wäre ich doch früher gekommen.“

Seit fünf Jahren bietet die Männerberatung Schleswig-Holstein Hilfe für Männer, die sexuelle oder häusliche Gewalt erfahren haben. Um auf das Thema und das Angebot aufmerksam zu machen und noch mehr betroffene Männer zu erreichen, haben die drei Träger der Männerberatung – Wendepunkt e. V. in Elmshorn, Frauennotruf Kiel e. V. und pro familia Schleswig-Holstein, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein zwei Kurzfilme drehen lassen.

Die Filme sind über die Seite der Männerberatung-SH zu sehen: https://www.maennerberatung-sh.de/index.html

In den beiden Filmen werden die zwei Themenschwerpunkte häusliche Gewalt und sexuelle Gewalterfahrungen in der Kindheit sensibel umgesetzt. Denn nicht wenige Männer haben bereits in ihrer Kindheit Gewalterfahrungen machen müssen. Verschiedene Studien legen nahe, dass jeder achte bis zwölfte Junge bis zur Vollendung seines achtzehnten Lebensjahres Opfer sexualisierter Gewalt wird.

Die Filme wurden durch die Capt´n Capture Filmagentur in Flensburg produziert und in Anwesenheit von Staatssekretärin Marjam Samadzade in dem Programmkino „Die Pumpe“ in Kiel präsentiert. Die Anwältin und Richterin hat selbst schon Erfahrungen mit diesem Thema gesammelt: „Ich habe als Anwältin viele Jungen und Männer bei gerichtlichen Verfahren begleitet. Die Hürden sind bei diesem Thema besonders hoch, weil die Opfer oft auf Unverständnis stoßen. „Warum hast du dich nicht gewehrt, du bist doch ein Kerl“, heißt es dann. Es ist ein Umdenken in unserer Gesellschaft wichtig – gemeinsam für den Opferschutz. Denn eins ist klar: egal welche Strafe es für den oder die Täter*innen gibt, das Opfer bekommt immer lebenslang.“

Bisher gibt es bundesweit noch relativ wenige spezialisierte Beratungsangebote für Männer.

Seit das Projekt in Schleswig-Holstein vor fünf Jahren ins Leben gerufen wurde, haben die drei Träger bis Ende 2021 insgesamt 869 Betroffene beraten. Schwierig wird es, wenn ein Mann eine toxische Beziehung verlassen will und eine Unterkunft benötigt. Denn Männerschutzwohnungen gibt es in Schleswig-Holstein nicht. Die Betroffenen landen dann in Männerwohn- oder Obdachlosenheimen. „Es gibt auch keine Vater/Kind-Zimmer. Wenn es in einer Beziehung Kinder gibt, dann bedeutet eine Trennung für den Mann somit auch meistens eine Trennung von den Kindern – das macht die Hürden natürlich noch höher“, erklärt Sascha Niemann von der Männerberatung.

Staatssekretärin Samadzade dankt den Trägern für ihre Arbeit und hofft, dass durch die Filme die Aufmerksamkeit auf den Opferschutz gelenkt wird: „Wir bekämpfen meist nur die Symptome und beschäftigen uns nicht mit den Ursachen. Wir müssen alle Opfer sprachfähig machen, wir müssen auf diese Themen hinweisen und Räume schaffen. Es muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein – alle müssen hingucken!“

Foto von links nach rechts:

Dagmar Steffensen, stv. Geschäftsführerin, pro familia Schleswig-Holstein

Andrea Langmaack, Geschäftsführerin, Frauennotruf Kiel e. V.

Sascha Niemann, Team Männerberatung, Wendepunkt e.V.
Marjam Samadzade, Staatssekretärin, Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung

Cornelia Donicht, Team Männerberatung, pro familia Flensburg

Benjamin Rogalli, Team Männerberatung, Frauennot Kiel e. V.