
Mehr als 1400 Menschen haben sich 2024 hilfesuchend an den Wendepunkt e.V. gewandt
Nachfrage bleibt hoch – viele leiden unter Mehrfachbelastungen
„Die Belastungssituation durch die vielen Krisen und Veränderungen ist enorm – das merken wir bei unseren Klienten“, sagt Dirk Jacobsen, Geschäftsführer des Wendepunkt e.V. „In unserer Gesellschaft und in der Welt verändert sich gerade an vielen Ecken sehr viel. Das führt zu Überforderungen, Menschen leiden unter Mehrfachbelastungen und die Statistik belegt, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen gerade auch bei Kindern und Jugendlichen massiv gestiegen ist.“
Das Traumazentrum des Wendepunktes bietet niedrigschwellige Hilfe – vor allem für Kinder und Jugendliche und ihre Familien. Sei es nach sexueller Gewalt, körperlicher oder psychischer Gewalt oder anderen hochbelastenden Erlebnissen. „Die Bedarfe werden in Zukunft eher noch weiter steigen“, so Jacobsen. „Es ist wichtig und sehr wertvoll, dass die Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt und die Trauma-Ambulanz vom Kreis finanziert werden. Leider wurden die Mittel im Bereich der Trauma-Ambulanz gerade gekürzt“.
Die Zahl der Hilfeanfragen ist seit Jahren konstant hoch: im vergangenen Jahr haben den Wendepunkt 1.418 Hilfeanfragen erreicht. Ergänzt wurde das durch 173 Präventionsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Fachkräfte sowie 180 Fortbildungen für Fachkräfte.
Im vergangenen Jahr sind noch drei neue Angebote hinzugekommen. Als Konsequenz aus dem Messerattentat von Brokstedt bietet der Wendepunkt im Auftrag des Justizministeriums Schleswig-Holstein landesweit psychosoziale Nachsorge nach Straftaten (PNS) an – zum einen nach strafrechtlich relevanten Großschadensereignissen. Der Wendepunkt soll im Notfall die Versorgungslücke schließen zwischen der Erstversorgung und der Anbindung an das medizinische, psychotherapeutische System, welches aufgrund der Wartezeiten erst mittel- bis langfristig greift.
Der Wendepunkt bietet außerdem psychosoziale Nachsorge nach Straftaten ohne Gewalt an. Auch nach einem Wohnungseinbruch oder einem schweren Betrug können die Betroffenen unter psychischen Folgen leiden – für solche Fälle wurde eine landesweite telefonische Sprechstunde eingerichtet. „Die Sprechstunde wird zunehmend angenommen“, berichtet Sascha Niemann, Leiter des Fachbereichs Traumazentrum. „Die Polizeidienststellen sind informiert – jetzt ist es wichtig, dass das kostenlose Hilfsangebot flächendeckend bekannt wird.“ Die Sprechstunde ist dienstags 10-12 Uhr und donnerstags 14-16 Uhr unter der Nummer 0800 – 3700800.
Als zweite Konsequenz aus Brokstedt wurden im Auftrag des Justizministeriums Gewaltpräventionsambulanzen (GPA) aufgebaut, um möglichst frühzeitig intervenieren zu können, wenn Menschen durch Grenzverletzungen, Gewalt und Straftaten auffallen. Der Wendepunkt ist zuständig vorrangig im Landgerichtsbezirk Itzehoe und in den Kreisen Segeberg und Dithmarschen.
Die Gewaltpräventionsambulanz berät und interveniert bei (jungen) Menschen mit einem erhöhten Gewaltrisiko, um die Entstehung von Gewalt und Straftaten möglichst zu verhindern, und führt Fachberatungen durch. So unterstützt die GPA beispielsweise auch an den Schulen, die eine deutliche Zunahme an gewalttätigen Vorfällen zu verzeichnen haben. „Wenn zum Beispiel einer Lehrkraft jemand auffällt, der potentiell gewalttätig ist, dann ist es wichtig, dass frühzeitig eine Expertise von außen geholt werden kann“, erklärt Bernd Priebe, Leiter des Fachbereichs Ambulante Rückfallprophylaxe und GPA. „Wir unterstützen die Fachkräfte und können bei Bedarf intervenieren. Es ist elementar, dass potentielle Täter in ein System eingebunden werden.“
Außerdem wurde im vergangenen Jahr im Auftrag des Bildungsministeriums das landesweite, sehr nachgefragte TiK-SH-Angebot (Traumapädagogik im Kindesalter) auch auf Grundschulen und Förderzentren erweitert. Gemeinsam mit zwei anderen Trägern unterstützt der Wendepunkt Fachkräfte in diesen Bereichen mit traumapädagogischen Fortbildungen, Beratungen und Supervision.
Foto: Sascha Niemann, Dirk Jacobsen, Bernd Priebe
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