Aktuelles

Erziehungshilfen und Kinderschutz in Zeiten von Corona

Erfahrungen der Wendepunkt-Mitarbeiter*innen

„Die aktuelle Situation führt zu zusätzlichen Belastungen im Familiensystem“

Gespräche über Familienprobleme am Telefon oder im Video-Chat – auch im Bereich der Erziehungs- und Familienhilfe müssen momentan neue Wege gegangen werden. „Das ist auch für uns sehr ungewohnt, und wir waren erst skeptisch, ob wir auf diesem Weg die Familien unterstützen können. Aber es klappt erstaunlich gut“, berichtet Lena Würger, Leiterin des Fachbereichs Erziehungs- und Familienhilfen des Wendepunkt e.V.

Zum Schutz der Familien ebenso wie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden zurzeit keine Hausbesuche statt. „Aber wir sind weiter für alle unsere Familien da und halten den Kontakt sowohl zu den Erwachsenen als auch den Kindern aufrecht. Das ist sehr wichtig, denn die Situation hat natürlich Auswirkungen auf die ganze Familie. Da ist Stress durch die plötzliche räumliche Enge, da sind Gefühle von Hilflosigkeit bis hin zu existenziellen Ängsten durch fehlende Einkünfte. Wir machen gerade viel Krisenintervention.“

Zahlreiche Fachkräfte und Hilfsorganisationen weisen auf die erhöhte Gefahr von häuslicher und familialer Gewalt hin – durch die Isolation nach außen und die zusätzlichen Belastungen der aktuellen Situation. Die Fachkräfte des Wendepunktes haben das bisher – zum Glück – nicht beobachten können. „Wir entdecken in einigen Familien jetzt sogar ganz andere Ressourcen und Potentiale, da zeigen sich plötzlich ungeahnte Stärken“, erzählt Erziehungswissenschaftlerin Würger. „Grundsätzlich beobachten wir in allen Familien die Bereitschaft, sich auf die neue Situation einzulassen und sich uns weiterhin zu öffnen. Es ist wichtig, dass es uns gelingt, das Vertrauensverhältnis aufrechtzuerhalten.“

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wendepunktes helfen den Familien, mit den Herausforderungen in dieser Situation umzugehen. Von Beschäftigungstipps für die Kinder über Hilfen bei der Alltagsbewältigung bis zur Vermittlung von Notfallnummern. „Familien, in denen Gewalt vorkommt, sind immer schwierig – wir sind darauf angewiesen, dass die Menschen mit uns sprechen, von ihren Problemen erzählen.“, sagt Würger. „Das ist am Telefon natürlich noch schwieriger, da ist ein persönlicher Kontakt immer besser.“ Im Notfall ist nach wie vor eine persönliche Beratung möglich. Bei akuter Kindeswohlgefährdung arbeitet der Wendepunkt eng mit dem Jugendamt zusammen.

Der Wendepunkt arbeitet nicht nur mit den Erwachsenen, sondern vor allem auch mit den Kindern und Jugendlichen. Normalerweise werden auch gemeinsame Aktionen und Ausflüge angeboten – das geht jetzt natürlich nicht. „Aber uns ist besonders wichtig, dass wir weiterhin Ansprechpartner für die Kinder sind, dass wir eine Beziehungskontinuität sicherstellen. Und dass sie wissen, dass sie sich bei Problemen jederzeit an uns wenden können“, sagt Würger. „Familienleben steht nicht still – es geht immer um Entwicklungen. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten.“