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„Die Prävention gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern ist ganz wichtig“

Grünen-Bundestagsabgeordnete Ingrid Nestle besucht Wendepunkt e.V.

Gemeinsam mit der Jugendpolitischen Sprecherin der Kreistagsfraktion der Grünen, Nadine Mai, ließ sich Ingrid Nestle durch die Räumlichkeiten des Wendepunktes führen und informierte sich über die Schwerpunkte der Arbeit des Vereins. Nicht zuletzt auch über die aktuelle Situation angesichts der Coronakrise. Die Situation hat die Arbeit der Beratungsstelle vor besondere Herausforderungen gestellt – so fanden eine Zeit lang Beratungen vor allem telefonisch oder im Video-Chat statt. Die Schließungen von Kitas und Schulen haben in vielen Familien zu Belastungen geführt – Experten befürchten, dass es vermehrt zu Konfliktsituationen oder auch Gewalt gekommen sein könnte. Doch gerade hier fehlten wichtige Kommunikationskanäle.

„Wir bekommen Meldungen über Gewalt in Familien oft über die Kitas oder Schulen sowie die Schulsozialarbeiter. Wenn alles geschlossen ist, dann fallen diese Kontrollorgane einfach weg, und Kinder wissen nicht, wie sie sich Hilfe holen können“, erklärt der Leiter des Fachbereichs Traumazentrum und Beratung im Wendepunkt, Sascha Niemann. Noch ist die Zahl der Beratungsanfragen nicht angestiegen, aber Niemann geht davon aus, dass es zu einer Zunahme kommen wird.

Durch die Schulschließungen sind auch die Präventionsprojekte des Wendepunktes weggefallen. Dies ist ein Thema, das Ingrid Nestle und Nadine Mai besonders am Herzen liegt. „Wenn aktuelle Fälle von Kindesmissbrauch bekannt werden, wie gerade in Münster, wird immer vor allem eine Strafverschärfung gefordert. Das ist aber nicht die alleinige Lösung. Ganz entscheidend ist, das Entdeckungsrisiko zu erhöhen – und deshalb ist die Prävention, die Aufklärung so wichtig“, betont Ingrid Nestle. „Man muss das Thema an die Oberfläche holen und sich trauen, es anzusprechen. Und genau das macht der Wendepunkt.“

Der Wendepunkt betreut seit 28 Jahren die Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch für den Kreis Pinneberg. Damit sei der Kreis im Vergleich zu anderen gut aufgestellt, meint Dirk Jacobsen, Leiter des Wendepunktes. Die Präventionsarbeit gegen den sexuellen Missbrauch wird hingegen von den einzelnen Kommunen finanziert – doch längst nicht von allen. So kommt es, dass in einigen Städten und Gemeinden regelhafte Projekte in den Schulen angeboten werden können – und in anderen gar keine.

„Die Prävention sollte allgemein besser ausgestattet werden. Aufklärung aller Beteiligten stärkt die Kinder. Alle Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sollten Schutzkonzepte haben“, fordert Dirk Jacobsen. „Fachkräfte müssen fortgebildet werden, damit sie wissen, wie sie reagieren und helfen können.“

„Viele Menschen denken immer noch, dass sexueller Missbrauch in ihrer Umgebung nicht vorkommt. Als ich beim Wendepunkt angefangen habe, habe ich nicht gedacht, dass es in einem solchen Ausmaß stattfindet“, berichtet Jacobsen. „Vieles ist so schrecklich, dass man es sich gar nicht vorstellen kann.“

Ingrid Nestle und Nadine Mai sind sich mit den Mitarbeiter*innen des Wendepunktes einig, dass mehr in die Sozialetats investiert werden sollte – auch um in einer solchen Krisensituation handlungsfähiger zum Schutz der Schwächsten zu sein.

Foto von links nach rechts:

Sascha Niemann, Leiter Traumazentrum und Beratung, Ingrid Nestle, MdB Die Grünen, Lena Würger, Leiterin des Bereichs Erziehungs- und Familienhilfen, Dirk Jacobsen, Geschäftsführer Wendepunkt, Nadine Mai, Kreistagsfraktion Die Grünen