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Auch Männer brauchen manchmal Hilfe – landesweites Angebot der Männerberatung

Bürgermeister Volker Hatje unterstützt Plakataktion: „ist noch ein Tabuthema“

Superman liegt beim Psychiater auf der Couch – der Anblick lässt den Betrachter zunächst schmunzeln, regt dann aber zum Nachdenken an. Das starke Geschlecht braucht Hilfe? Wie kann das sein?

Mit einer Plakatkampagne, gesponsert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren Schleswig-Holstein, soll auf das Angebot der Männerberatungsstellen im Land aufmerksam gemacht werden. Das Thema „sexualisierte und häusliche Gewalt gegen Männer“ ist nach wie vor vielen Menschen nicht bewusst und wird in unserer Gesellschaft eher tabuisiert. „Ich habe auch erstmal gestutzt, als ich von dem Thema gehört habe“, so Elmshorns Bürgermeister Volker Hatje. „Ich finde es sehr gut, dass sich der Wendepunkt hier im Kreis Pinneberg mit diesem Thema auseinandersetzt. Gerade weil es noch eher ein Tabuthema ist.“

Dabei zeigen die aktuellen Zahlen, die das Bundesfamilienministerium zur Thematik veröffentlicht hat, dass auch Männer körperliche Gewalt durch ihre Partnerinnen und Partner erleben und von sexuellem Missbrauch in der Kindheit betroffen sind. 2017 waren 18 % der Opfer von häuslicher Gewalt Männer. Das sind in absoluten Zahlen 25.200 Fälle bundesweit. Und Experten befürchten eine hohe Dunkelziffer. „Männer dürfen keine Schwäche zeigen – dieses Geschlechterklischee dominiert immer noch in den Köpfen und verhindert vielfach, dass Männer Hilfe suchen. Sie haben Angst, als unmännlich stigmatisiert zu werden und schämen sich, zu erzählen, was ihnen zuhause widerfährt“, erklärt Dirk Jacobsen, Leiter des Wendepunkt e.V.

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein hat deshalb ein landesweites, wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt aufgelegt, das bundesweit einmalig ist. Seit dem vergangenen Jahr bieten insgesamt drei Träger in Schleswig-Holstein Männerberatung an – der Frauennotruf in Kiel, Pro Familia in Flensburg und der Wendepunkt in Elmshorn.

„Viele Männer, die zu mir in die Beratung kommen, erzählen erstmalig über ihre erlebte Gewalt und erleben es als große Erleichterung. Wir versuchen, durch Vermeidung von geschlechtlichen Zuschreibungen zur Entlastung von Männlichkeitsanforderungen beizutragen und die Männer bei der individuellen Aufarbeitung zu unterstützen“ berichtet Angela Hartmann, Dipl. Sozialpädagogin vom Frauennotruf in Kiel. Bisher konnten mehr als 200 Klienten eine Unterstützung in einer der drei Beratungsstellen finden.

Nicht wenige Männer haben bereits in ihrer Kindheit Gewalterfahrungen machen müssen. Verschiedene Studien legen nahe, dass jeder achte bis zwölfte Junge bis zur Vollendung seines achtzehnten Lebensjahres Opfer sexualisierter Gewalt wird und 60 % der Jungen in ihrer Kindheit und Jugend geschlagen, getreten oder verhauen werden. Bestehende Hilfsangebote und Facheinrichtungen richten sich aber eher an Kinder und Frauen. Die Plakatkampagne soll jetzt ein Bewusstsein schaffen für dieses Thema und Aufmerksamkeit wecken für die Beratungsangebote in Schleswig-Holstein. Die beiden Motive wurden von KünstlerInnen der Muthesius Kunsthochschule in Kiel entworfen und werden ab Dezember u.a. landesweit in Bussen zu sehen sein, an anderen öffentlichen Orten und als Postkarten in Kneipen ausliegen. „Es ist wichtig, dass das Thema in die öffentliche Diskussion kommt. Damit Männer, die Gewalt erleben, erfahren, dass sie nicht die einzigen sind, denen so etwas passiert – und dass sie sich Hilfe holen können“, so Dipl.-Psychologe Jacobsen.